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Georg Glatzel in der Mannheimer Ausstellung seiner Fotos. – Foto: Moray

„Reflections“ heißt die Ausstellung des Heidelberger Fotografen Georg Glatzel im Mannheimer Kunstverein. Sie war für 2020 geplant, musste aber aus Rücksicht auf die Corona-Beschränkungen auf dieses Jahr verschoben werden.

Der Kunstverein kann dazu mal wieder einen reich illustrierten Katalog zum Stöbern und Nachhausetragen vorlegen – als kleine Belohnung für die lange Abstinenz.

[…]

Fasziniert von New York […]. Fasziniert vom Tempo, der Vielfalt, den Menschen und den Farben dieser unverwechselbaren Metropole, neben der Heidelberg wie ein Pardon, verschlafenes Nest und Rückzugsraum wirkt. […] Und genau von diesem Zwiespalt berichten, ob bewusst oder unbewusst, Georg Glatzels Bildwelten, die man nur als prächtig bezeichnen kann.

Die Formate alles andere als kleinlich, die Farbigkeit trotz mancher Drastik wohl konstruiert und nie beliebig, wirken diese Arbeiten wie stillgestellte Momentaufnahmen der Rhythmen des städtischen Lebens […]. Die damit verbundene Möglichkeit der Verblendung zweier oder mehrerer Ansichten [gibt] ganz neue und emotional aufgeladene Perspektiven und [eröffnet] Bildräume: Fotografie als Medium einer aus den unterschiedlichsten Fragmenten analog geschaffenen Weltsicht, wobei zu bemerken ist, dass nichts davon am PC zusammengestellt ist.

[…]

In “Milano” (2020) überblendet Glatzel den Mailänder Dom mit der Glaskuppel der Galleria Vittorio Emanuele II. und dem Kühlergrill eines legendären italienischen Oldtimers zu einer faszinierenden Erzählung, in der Himmelsnähe und kühn aufstrebende moderne Banalität geradezu more geometrico beschworen werden. Und haben wir die zu Tode fotografierte New Yorker Skyline und ihre Wolkenkratzer, die Straßen und scheinbar leere U-Bahnstationen je so zur Kenntlichkeit gebracht gesehen, wie auf diesen durch Überlagerung, Fragmentierung, Zufall und Neuarrangement konstruierten Bilder, die so verflucht sinnlich sind, dass das Auge dran kleben bleibt wie die Fliege am Leim? “Perspektivenwechsel oder die Konstruktion der Welt”: Die Überschrift von Martin Stathers Katalogbeitrag fasst den Sachverhalt in einer griffigen Formel zusammen. Ob die vielfach gespiegelten Stadträume von New York, Wien, Prag, Paris oder Florenz, Georg Glatzel ist ein durch und durch reflektierter Fotograf.

Er will verführen, zeigt uns, dass wir dem Schein des allzu Offensichtlichen bitte nicht trauen mögen, der Fantasie, der sich die Dinge neu ordnen, aber schon.

Von Sigrid Feeser – Die Rheinpfalz, 19.02.2022.

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